Seit kurzer Zeit gibt es in einigen deutschen Großstädten eine Alternative zu Taxis, die ziemlich umstitten ist: den Fahrdienst Uber Pop. Hier sitzen keine professionellen Taxifahrer hinter dem Steuer, sondern Privatleute, die mit ihrem eigenen Auto fremde Menschen durch die Gegend fahren – das Smartphone macht es möglich.
Hinter Uber verbirgt sich nichts anderes als eine App, die Privatleute mit Auto und Zeit mit anderen Privatleuten zusammenbringt, die weder das eine noch das andere haben. Die Autorin Corinna Budras hat die App nun für die Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung getestet. Sie beschreibt ihre Fahrt mit Uber so:
“ (…) Der Start mit Uber ist gar nicht so einfach: Um ein Taxi zu rufen, braucht man allenfalls ein Telefon. Und oft nicht mal das: Einfach auf die Straße und beherzt winken, das kann jedes Kind. Für Uber brauchen wir ein Smartphone und idealerweise die dazugehörige App, die man sich runterladen kann. Dann müssen wir uns anmelden und Namen, Handynummer und Mailadresse hinterlassen. Doch damit ist es nicht getan: Wir müssen auch noch die Daten einer Kreditkarte angeben. Von dort wird das Fahrgeld hinterher abgebucht. Einmal eingerichtet, funktioniert das Konto übrigens weltweit, egal ob in Frankfurt, New York oder Schanghai. In Deutschland bietet das Unternehmen seine Dienste bereits in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt an.
Der Dienst ortet über eine App oder den Browser des Smartphones unseren Standort und zeigt alle Wagen in der Nähe an. Wartezeit, aktueller Ort des Wagens und voraussichtlicher Fahrpreis erscheinen sofort auf dem Smartphone. Vorbestellungen gibt es übrigens nicht. Kurz nach der Bestellung schickt Uber die Bestätigung per SMS.
Die Anfahrt kostet in der Regel in Frankfurt einen Euro, jeder gefahrene Kilometer ebenfalls einen Euro. Zusätzlich verlangt Uber für jede Minute 25 Cent – unabhängig davon, ob man an einer roten Ampel steht oder der Verkehr flüssig läuft. Je nach Angebot und Nachfrage können die Preise zudem variieren. Für Kunden bedeutet das: Wenn gerade wenige Uber-Wagen in der Nähe sind, aber viele einen buchen wollen, können die Preise steigen. Das klingt erst einmal kompliziert, trotzdem verspricht Uber, in den meisten Fällen günstiger zu sein als die Konkurrenz von den Taxizentralen. Die unterliegen nämlich den städtischen Tarifen, und die sind streng vorgegeben: In Frankfurt kostet die Anfahrt tagsüber 2,80 Euro und jeder der ersten zwölf Kilometer 1,75 Euro, danach wird es billiger.
Tatsächlich dauert es exakt zwanzig Minuten, bis Rocco in seinem dunkelblauen Fiat Scudo um die Ecke biegt. Das Auto ist sauber und geräumig, ein Taxameter ist nicht nötig. Unser Fahrtziel im Nordend kennt Rocco, aber er trägt es umgehend in die App und in sein Navigationssystem ein. Jeder Uber-Fahrer ist über eine App auf dem iPhone mit der Zentrale verbunden. Von dort bekommt er auch die Kunden.
Rocco versichert, wir seien so gut versichert wie bei jedem normalen Taxi auch. Womit wir auch schon beim Knackpunkt des neuen Fahrdienstes wären: Denn Roccos Hinweis klingt zwar beruhigend. Versicherungen sehen das allerdings ein wenig anders. Sie reden von einem „rechtlichen Graubereich“, der sich da auftut. Denn was ist mit Fahrzeugen, die als Privatwagen versichert sind, aber hin und wieder gewerblich benutzt werden?
Für Versicherungen ist diese rechtliche Grauzone jedenfalls eine wunderbare Gelegenheit, um im Fall der Fälle noch schnell aus der Nummer herauszukommen. Schließlich werden Privatfahrzeuge im Normalfall als Pkw ohne Vermietung zur privaten Nutzung versichert, heißt es bei der Allianz. Wird das Auto anders verwendet als vereinbart, kann das die Risikosituation erheblich erhöhen. Das bedeutet im schlimmsten Fall, dass sich die Versicherung weigert zu zahlen. Dann greift zwar immer noch die Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs. Doch diese könnte den Regress auf 5000 Euro beschränken, warnt die Allianz. Rechtssicherheit gibt es auf diesem Gebiet allerdings noch nicht.
Rocco hat er auch einen Personenbeförderungsschein, den er uns stolz zeigt. Viele andere Fahrer bei Uber haben ihn nicht. Fahrer werden kann jeder, der nicht vorbestraft ist und ein eigenes Auto hat, das nicht älter als neun Jahre ist. Nicht umsonst laufen Taxifahrer mit europaweiten Streiks gegen die laxen Spielregeln Sturm, sogar Wagen des Konkurrenten wurden bereits demoliert.
Sie müssen schließlich ganz andere Voraussetzungen aufbieten, um Kunden durch die Gegend fahren zu dürfen: Jeder Taxifahrer braucht eine Lizenz von der Stadt. Die aber sind rar und werden deshalb häufig für hohe Summen auf dem Schwarzmarkt gehandelt, zu Spitzenzeiten in Frankfurt für angeblich bis zu 100.000 Euro. Außerdem müssen sie in Tests fundierte Ortskenntnisse nachweisen – obwohl viele lästern, davon sei inzwischen nicht viel zu spüren. In Hamburg wird gerade vor Gericht über ein Verbot des Dienstes gestritten. Ubers Standpunkt ist einfach: Das Unternehmen sieht sich nur als Vermittler zwischen Fahrgästen und selbständigen Fahrern. Deshalb dürfen Uber-Fahrer auch keine Kunden vom Straßenrand oder Taxistand mitnehmen, sondern nur Aufträge über die App annehmen. Außerdem müssen sie den vollen Mehrwertsteuersatz zahlen, Taxis nur den ermäßigten. Uber hält diese Gesetze für nicht mehr zeitgemäß. „Viele von den Vorschriften wurden geschrieben, bevor es das Internet gab, bevor es Handys gab“, sagt Patrick Studener von Uber Deutschland.
(…) Nach 24 Minuten und zehn Kilometern sind wir am Ziel. Eine Minute später kommt die Quittung schon per Mail. 20 Prozent davon gehen automatisch an Uber. Statt der angekündigten 17,50 Euro werden nur 17 Euro von der Kreditkarte abgebucht. Psychologisch geschickt rundet Uber immer automatisch ab. Außerdem wird auf der Quittung die gefahrene Strecke auf einer Karte angezeigt, jeder Fahrer wird per GPS geortet. Bei Bedenken kann man Preis und Strecke von Uber nachträglich ganz einfach per Knopfdruck überprüfen lassen.
Erst nach dem Aussteigen merken wir, dass auch die Gepflogenheiten im Zeitalter des bargeldlosen Bezahlens noch unklar sind. Hätten wir jetzt ein Trinkgeld geben müssen? Uber selbst sagt, dass kein Trinkgeld nötig ist. Trotzdem ist es möglich, von vornherein eine Trinkgeldpauschale einzustellen, die automatisch mit dem Fahrpreis abgebucht wird. Wir trösten uns, dass das Trinkgeld des Internetzeitalters ohnehin die Bewertung ist. Sinkt die Bewertung eines Fahrers unter eine bestimmte Grenze, wird er aus der App verbannt.
Nur einen Tag später, auf der gleichen Strecke mit dem Taxi, läuft die Fahrt dagegen ganz nach dem bekannten Muster ab: Nach dem Anruf bei der Taxizentrale kommt rund fünf Minuten später eine Mercedes E-Klasse vorgefahren. Unser Taxifahrer wählt eine ganz andere Strecke und vermeidet damit die Baustelle, in die Rocco am Tag zuvor noch reingeraten ist. Allerdings umfährt er sie auch sehr viel weiter als Rocco. Doch wer weiß schon, ob das überhaupt nötig war. Am Ende ist die Fahrt im Taxi etwa sechs Minuten schneller, kostet aber fast sieben Euro mehr.
In Sachen Qualität und Professionalität steht Uber der Konkurrenz tatsächlich in kaum etwas nach, ein großer Vorteil ist oft der Preis. Taxis sind nur dann billiger, wenn die Uber-Preise wegen hoher Nachfrage steigen. Zudem lockt Uber häufig mit Aktionen: In der Nacht nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft etwa gab es für jede Fahrt einen 15-Euro-Gutschein. Die Uber-App überzeugt schon jetzt. Allein: Es fehlen Fahrer.“
Im April hatte ein Berliner Taxiunternehmen gegen Uber geklagt. Auch der Autor Michael Kuntz von der Süddeutschen Zeitung ist nicht begeistert von der App.
„(…) Dabei gibt es gute Gründe, den Taxifahrern etwas Wertschätzung entgegenzubringen, auch wenn sie sich häufig nicht so aufführen, wie ein Fahrgast es sich wünscht. Taxen sind Teil des öffentlichen Nahverkehrs, sie sichern ebenso eine kommunale Infrastruktur wie Bahnen und Omnibusse. Taxen garantieren in der Stadt und auf dem Land eine Mobilität für Menschen ohne eigenes Auto. Die Mehrzahl der Fahrten findet aus privaten Gründen statt, zeigt die Statistik. Das ist so, weil Kranke zum Arzt wollen, weil alte Menschen nicht mehr so beweglich sind und sich mit ihren Einkäufen heimfahren lassen. Nicht alles wird von Krankenkassen erstattet. Die Tarife der Taxen mögen hoch erscheinen, sie bieten aber eine Sicherheit über die zu erwartenden Kosten.
Ein nachfragegesteuertes System wie das von Uber mit höheren Preisen bei Regen und Schnee, bei Messen und sicherlich auch zum Oktoberfest oder in der Silvesternacht ist das Letzte, was den sozial schwachen Menschen zu wünschen wäre. Personenbeförderung gerät zu einer Art Glücksspiel – und Uber gewinnt immer. So gesehen erscheint sogar die Vergabe von Konzessionen auf einmal wieder wirtschaftlich sinnvoll, um eine Grundversorgung mit Taxen auch in Zeiten mit geringer Nachfrage zu garantieren.
Nicht nur das Preismodell ist bei Uber problematisch. Das Unternehmen geriert sich als Start-up, ist aber schon fünf Jahre alt und damit längst ein Teil des Establishments. Das gilt erst recht, wenn man weiß, dass sich Uber mit Anlegergeld der Investmentbank Goldman Sachs in bereits 70 Städten ausbreitet. Goldman ist nicht allein: Einer der Investoren in Uber ist ausgerechnet der Internetkonzern Google.(…)
Mitfahrgelegenheiten per App organisieren, mit Google Maps im Hintergrund, das passt gut. Wer Uber toll findet, der fährt bei Google mit. Jedenfalls indirekt ist das so. Für Google ist Uber wohl mehr als ein Investment. Es könnte für den Netzgiganten ein Feldversuch sein, wie weit sich ein klar ungesetzliches Geschäftsmodell durch anarchistisches Handeln etablieren lässt. Denn Uber setzt sich explizit über bestehende Regeln hinweg, die Verordnung zur Personenbeförderung in Deutschland ist nur eine davon. Man wolle weitermachen wie bisher und sich durch alle Instanzen klagen. Die Berliner Taxifahrer haben trotz erster Erfolge vor Gericht gegen Uber resigniert angesichts der finanziellen Kraft des angeblichen Start-ups mit den starken Hintermännern. Den Abwehrkampf gegen den wohlkalkulierten Angriff auf die bestehende Rechtsordnung wird das kommunal zersplitterte Taxigewerbe kaum allein gewinnen können.
Der Transportdienst Uber hat vor Kurzem knapp 1,2 Milliarden Dollar von Investoren erhalten. Uber ist damit aktuell fast 17 Milliarden Dollar wert. Der Chef von Google Ventures hat nun behauptet: Uber könnte bald vielleicht sogar „200 Milliarden Dollar oder mehr“ wert sein. Zum Vergleich: Toyota, der größte Autohersteller der Welt, wird derzeit an der Börse mit rund 190 Milliarden Dollar bewertet.
Quelle: F.A.S., süddeutsche.de, Spiegel Online